Der Handlungsdruck für die Mobilitätswende steigt

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Der Weltklimarat IPCC schlägt Alarm: Die Erderwärmung schreitet unaufhaltsam voran, schon 2030 könnte ein kritischer Wert überschritten werden. Dies setzt vor allem den Mobilitätssektor unter Druck. Ebenso wie der Wärmemarkt hat der Verkehrsbereich bislang zu wenig geliefert.

Im gerade veröffentlichten sechsten Sachstandsbericht des IPCC ziehen die Klimawissenschaftler eine ernüchternde Bilanz. Danach könnte schon 2030 der kritische Schwellenwert erreicht sein und die globale Erwärmung auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit ansteigen. Dieser gilt als Grenzwert, um die dramatischsten Folgen des Klimawandels noch abwenden zu können. Die Wissenschaft hatte bislang eigentlich erwartet, dass dieser Schwellenwert erst in einem Zeitraum zwischen 2040 und 2052 überschritten werde. Kritisch sind die Erkenntnisse des neuen IPCC-Berichts nicht nur, weil dadurch die Pariser Klimaziele verfehlt werden, sondern vor allem, weil sich dann wohl auch Extremwetterereignisse drastisch häufen werden. Bilder wie die von der Hochwasserkatastrophe in Ahrweiler drohen somit zur neuen Normalität zu werden.

Alle Technologieoptionen für die Emissionsreduktion nutzen

Nun ist Technologieoffenheit gefragt, um die Emissionen im Mobilitätssektor nachhaltig abzusenken. „Bundesregierung und EU dürfen beim Klimaschutz, anders als bisher, keine Option mehr auslassen“, fordert etwa Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes MWV. „Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien und dem Hochlauf der Elektromobilität brauchen wir vor allem gute Rahmenbedingungen für den schnellen Aufbau des Angebots alternativer Kraftstoffe, einschließlich verlässlicher Quoten und Förderbedingungen“, sagt Küchen. Gemeint sind neue synthetische Kraftstoffe, so genannte E-Fuels, denn nur mit ihnen könne der große Fahrzeugbestand an Pkw und Lkw dekarbonisiert werden.

Mitte Juli hatte die EU-Kommission bereits mit ihrem „Fit-for-55“-Paket zwölf Gesetzesvorschläge präsentiert, mit denen die CO2-Emissionen in der EU bis 2030 um 55 Prozent abgesenkt und die Gemeinschaft auf eine Klimaneutralität bis 2050 eingeschworen werden soll. Besonders hart soll es dabei den Mobilitätssektor treffen. So müssen zur Zielerreichung die durchschnittlichen jährlichen Emissionen neuer PKW und leichter Nutzfahrzeuge ab 2030 auf 55 Prozent reduziert und ab 2035 um 100 Prozent niedriger sein als 2021.  

Umdenken erforderlich

Solche Zielvorgaben lassen sich nur durch rigoroses Umdenken erreichen. Die Politik hatte bislang recht einseitig auf die Elektromobilität gesetzt.  In diesem Sommer wurde nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes ein neuer Schwellenwert überschritten. Nun sind mehr als eine Million Fahrzeuge mit Elektromotor auf deutschen Straßen unterwegs. Rund 54 Prozent davon fahren batterieelektrisch, die restlichen 46 Prozent als Plug-In-Hybride oder mit Wasserstoff und Brennstoffzelle. Eigentlich hätte dieses Ziel schon vor Jahren erreicht werden sollen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer will nun bis 2030 insgesamt 14 Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland auf die Straße bringen. Das klingt ambitioniert, könnte aber machbar sein, denn die Industrie produziert nun endlich nennenswerte Stückzahlen, und auch die Ladeinfrastruktur wird entsprechend ausgebaut. Und während in der Fläche vor allem Stadt- und Gemeindewerke aktiv werden, tut sich auch an den deutschen Tankstellen etwas. Immer mehr Betreibergesellschaften investieren in eigene Ladesäulen und machen damit den E-Mobilisten ein individuelles Angebot. Das ist eine Erkenntnis aus der jüngsten EID-Analyse des deutschen Tankstellenmarktes.

Boom bei Elektromobilität ist offenbar teuer erkauft

Die Elektromobilität kann aber nur dann als klimaneutral angesehen werden, wenn die benötigten Strommengen mit erneuerbaren Energien erzeugt werden. Ohnehin scheint der vermeintliche Boom bei der Elektromobilität teuer erkauft worden zu sein. Einer Studie der Deutschen Bank zufolge kostet jedes neuzugelassene Elektroauto den deutschen Staat 20.000 Euro; denn neben der Kaufprämie wirken während der Nutzung auch noch andere fiskalische Effekte, wie die zehnjährige Befreiung von der Kfz-Steuer und die geringeren Einnahmen aus der Mineralölsteuer und der CO2-Abgabe auf Benzin und Diesel. Daneben sieht die Studie aber auch die Gefahr einer sozialen Schieflage, denn derzeit profitieren vor allem Besserverdienende von den Förderungen, während Geringverdiener relativ zu ihrem Einkommen einen recht hohen Teil der Förderungen zahlen und selbst aber oftmals nur Gebrauchtwagen kaufen, für die es keine Förderung gibt. Kritiker fordern schon länger, dass der Staat hier nachbessern müsse und die Förderung der Elektromobilität etwa auch auf Gebrauchtwagen ausweitet, wie dies beispielsweise in Frankreich umgesetzt wurde.

Nach Einschätzung der deutschen Bank werden die CO2-Vermeidungskosten der Elektromobilität durch technischen Fortschritt und Größenvorteile in der Produktion künftig weiter sinken. Die staatlichen Subventionen könnten diesen Trend beschleunigen, weil sie einen schnelleren Markthochlauf ermöglichten und bei den Herstellern Anreize setzen, in die Technik zu investieren. Unter dem Strich zementiere der Staat durch technologiespezifische Subventionen und die regulatorische Einstufung von Elektroautos als Null-Emissions-­Fahrzeuge aber die Technologiepfade sehr einseitig, heißt es in der Studie. Die Deutsche Bank spricht sich deshalb ebenso wie Branchenexperte Küchen für E-Fuels aus. Die vermehrte Nutzung von synthetischen, CO2-armen Kraftstoffen sei eine Möglichkeit, die Emissionen des großen globalen Flottenbestandes zu vermindern. „Zwar ist die Verfügbarkeit solcher Kraftstoffe aktuell noch begrenzt, das müsste bei entsprechenden Investitionen aber nicht so bleiben“, schreibt die Deutsche Bank in ihrer Analyse.

Die jüngste EID-Analyse zum Tankstellenmarkt zeigt: Die Kraftstoffabsätze an deutschen Tankstellen haben noch nicht wieder das Niveau von vor der Corona-Krise erreicht, aber sie ziehen wieder an und bewegen sich in Richtung Normalität. Dennoch wird es wohl nie mehr so, wie es einmal war, das hat uns Corona gelehrt. Nach der Pandemie wird sich das Mobilitätsverhalten grundlegend verändern, schon allein deshalb, weil die Menschen häufiger mal im Home-Office arbeiten wollen oder auf das Fahrrad umsteigen. Und es lässt sich ja auch gar nicht von der Hand weisen, dass der Trend schon lange vor Corona eindeutig war: Der Kraftstoffabsatz ist seit Jahren rückläufig. Einerseits werden Neufahrzeuge immer effizienter und verbrauchsärmer und andererseits wächst, wie beschrieben, der Anteil der Fahrzeuge mit alternativen Antrieben.

Tankstellenbetreiber müssen ihr Angebot ausweiten, um die sinkenden Kraftstoffabsätze zu kompensieren. Der Kraftstoffmix wird bunter, und auch das Dienstleistungsangebot wird vielschichtiger. Auch ein Grund, warum auf immer mehr Tankstellen Paketboxen und Amazon Locker aufgestellt, Shopbereiche aufgewertet werden oder sich ganze Tankstellen zu Mobilitäts-Hubs weiterentwickeln. Sie bieten zunehmend Lademöglichkeiten für E-Autos und andere Elektro-Fahrzeuge oder Umstiegsmöglichkeiten auf Carsharing und andere Mobilitätskonzepte. Die Mobilität ist im Wandel und mit ihr auch das Tankstellengeschäft. Die Mobilität von morgen braucht eine völlig neue Energie, damit am Ende die Klimawende doch noch gelingt. Die Zeit drängt!

Mobilität & Alternative Antriebe
Artikel von Kai Eckert
Artikel von Kai Eckert