E.ON hält an Nord Stream 1 fest – Bilanz übertrifft Erwartungen

E.ON-Chef Leonhard Birnbaum präsentierte die Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr 2021. Bild: Screenshot E.ON-PK

Der Essener Energiekonzern E.ON will an seiner 15,5-prozentigen Beteiligung an der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 1 festhalten. „Eine Veräußerung, ein Ausstieg ist jetzt per se völlig aus der Welt, das Asset ist nicht verkäuflich im Moment, dafür gibt es keinen Markt“, sagte E.ON-Vorstandschef Leonhard Birnbaum mit Blick auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine auf der Bilanzpresskonferenz des Unternehmens. „Die Bundesregierung hat entschieden, die Importwege für russisches Gas offen zu halten, dazu gehört auch Nord Stream 1. Und wem wäre geholfen, wenn wir das Asset dem russischen Mehrheitsaktionär überschreiben würden?“

Birnbaum bezeichnete Putins Einmarsch als den schlimmsten Bruch des Völkerrechts und sprach von der schlimmsten Flüchtlingskatastrophe seit dem 2. Weltkrieg. Es gehe vorrangig um diese Menschen, aber es gehe letztlich auch um Europa und die Energieversorgung.

Die Bundesregierung habe viel Umsicht und Verantwortungsbewusstsein bei ihrer Entscheidung gezeigt, sich nicht sofort von den Energieimporten aus Russland zu trennen. „Es ist vielleicht schmerzhaft und unbequem, aber kurzfristig geht es nicht ohne russisches Gas – zumindest nicht ohne schwerwiegende Konsequenzen für die europäische Wirtschaft“.

Es gehe für den nächsten Winter und „vielleicht die kommenden 2 oder 3 Jahre“ darum, eine größtmögliche Stabilität der Energieversorgung zu schaffen. Und es gehe darum, die Bezahlbarkeit von Energie für Haushalte und Industrie zu garantieren. Wenn der Industriestandort nicht gefährdet werden solle, dürfe man sich keine überhöhten moralischen Positionen erlauben.

Einfache Antworten, die hier kurzfristig die Abhängigkeit von russischer Energie mindern könnten, gebe es nicht. Wohl aber Antworten für ein langfristiges Vorgehen. Etwa die Diversifizierung von Energieimporten, den Bau eigener LNG-Terminals, über die später auch Wasserstoff anlanden könne, „auch wenn dieser anfänglich nicht unbedingt grün sein muss“. „Es geht erst einmal darum, dass wir überhaupt genügend Energie im System haben.“ Und es sei ein schnelleres Tempo bei der Energiewende Teil der Lösung.

Birnbaum zufolge ist E.ON gegenüber Russland nicht unmittelbar exponiert. „Wir kaufen unsere Gasmengen komplett in den Großhandelsmärkten innerhalb Europas. Wir haben keine langfristigen Lieferverträge mit russischen Produzenten und wären also auch nicht von direkten Lieferunterbrechungen betroffen“, würde Russland die Androhung umsetzen und den Energiefluss stoppen. „Aber klar ist: sollte es über einen mehr oder weniger langen Zeitraum zu einer physischen Verknappung kommen, würde dies auch für uns Folgen haben.“

Der E.ON-Chef rechnet mit höheren Preisen für Strom und Gas. "Die Beschaffungspreise sind seit Längerem extrem hoch - wenn wir dauerhaft ein deutlich höheres Niveau als in der Vergangenheit haben, wird das irgendwann auch den Kunden treffen.“ Ein Absenken von Steuern und Abgaben auf Strom und Gas sei auch deshalb schon dringend notwendig.

Mit Blick auf das operative Geschäft des Unternehmens sei das Jahr 2021 trotz Corona, schwerer Stürme und den Überschwemmungen im Ahrtal ein erfolgreiches gewesen, so Birnbaum. Das bereinigte Konzernergebnis (Ebitda) kletterte um 14 Prozent auf 7,9 Milliarden Euro. Wachstumstreiber war dabei besonders das sogenannte Kundenlösungsgeschäft (Lieferung Energie und ganzheitliche Konzepte für Städte und Industrie), das 1,5 Milliarden Euro beitrug, ein Plus von 45 Prozent unter anderem wegen der Umstrukturierung des britischen Geschäfts.

Die Sparte Energy Infrastructure Solutions erwirtschaftete 400 Millionen Euro (+40 Prozent) und mausert sich nach Angaben von Finanzvorstand Marc Spieker zu einem zentralen Wachstumsbereich. Auch der Geschäftsbereich Future Energy Home, der unter anderem Solaranlagen mit Batteriespeichern anbietet, ist gut im Rennen. Hier konnte die Zahl der installierten Einheiten binnen Jahresfrist um 25.000 auf 125.000 angehoben werden. Auch das Nicht-Kerngeschäft - E.ON zählt hierzu auch die Atomkraftwerk-Sparte - steigerte den operativen Gewinn um gut 75 Prozent. Hier trug eine besonders hohe Kraftwerks-Auslastung und das aktuelle Preisniveau auf der Absatzseite insbesondere im 4. Quartal bei, so das Unternehmen.

Unterm Strich lag der Konzernumsatz mit 77,36 Milliarden Euro um 27 Prozent über dem Vorjahresergebnis. Mit einem bereinigten Jahresüberschuss von 2,5 Milliarden Euro wurde ein Plus von 53 Prozent verbucht.

Wie sich der Krieg in der Ukraine auf das Geschäft des Konzerns im laufenden Jahr auswirken wird, das stehe noch in den Sternen, so das Unternehmen. Gerechnet wird mit einem leichten Rückgang des bereinigten Ergebnisses auf 7,6 bis 7,8 Milliarden Euro. Ein Grund für diese Entwicklung dürfte das Aus des Kernkraftwerk-Geschäfts sein, denn Ende dieses Jahres wird das von der E.ON-Tochter PreussenElektra betriebene Atomkraftwerk Isar 2 vom Netz gehen.

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Artikel von Klaus Lockschen
Artikel von Klaus Lockschen