Die Idee des britischen Premierministers Boris Johnson, vor allem auf Windenergie zu setzen, stößt in Großbritannien auf heftige Kritik. Insbesondere die Wege und Ziele der Energie-Wende, wie Johnson sie anpeilt, lösen Unmut aus.
So kommt die jüngste Analyse des UK Energy Research Centre (UKERC) zu dem Schluss, dass es - wenn die Regierung so weiter mache - mindestens 700 Jahre dauern wird, bis die Briten auch nur umweltfreundlich heizen. Denn die konkreten Pläne der Regierung sehen beispielsweise insgesamt nur rund 12.500 Wärmepumpen für Heizungen mit niedrigem CO2-Ausstoß kommen - doch laut UKERC müssten mindestens 19.000 Häuser pro Woche bis 2050 umgestellt werden. Die Tatsache, dass 2019 noch eine Rekordzahl neuer Gasbrenner installiert wurden, ein Anstieg um 1,8 Prozent, zeige, dass die Entwicklung in die falsche Richtung laufe. Sowohl der UKERC-Direktor James Gross als auch Jan Rosenow, der Mitautor der Studie von der Universität Oxford, werfen Johnson und dessen Energie-Experten vor, völlig falsch zu rechnen. Denn es sei unsinnig, für die kommenden Jahre bis 2030 von einem statischen Stromverbrauch auszugehen und gleichzeitig Öl und Gas mit Windenergie ersetzen zu wollen. Selbst ohne jedes Wachstum der Bevölkerung und der Wirtschaft gerechnet würde allein schon die Umstellung der Heizung von fossilen Brennstoffen auf grüne Elektrizität den Stromverbrauch der britischen Haushalte locker verdoppeln. Das allein würde einen Mehrbedarf von 67 GW Windenergie auslösen - gar nicht zu reden von der Umstellung von Verbrennungsmotoren auf elektrischen Antrieb bei den Fahrzeugen.
Aus dem Hilfsprogramm zur Milderung der Folgen aus der COVID 19-Pandemie auf die britische Wirtschaft hat die Regierung zwar rund 3 Milliarden Pfund an Subventionen für Wärmedämmung, bessere Isolierung von Häusern und effektivere Energie-Nutzung vorgesehen. Aber eine solche Einmal-Zahlung reicht nach UKERC nicht und bringe keinen nachhaltigen Wandel. Um auf breiter Front Verbesserungen am britischen Wärme- und Immobilienmarkt zu erreichen und zu dem von der Regierung gesetzten Ziel zu kommen, bis 2050 die CO2-Emissionen gen Null zu senken, müssten kontinuierlich pro Jahr 10 Milliarden Pfund in diesen Sektor fließen.
Die ständigen Kehrtwendungen der Politik, würden, so Rosenow, potenzielle Investoren, Hausbesitzer, Bauindustrie, Installationsfirmen und Energieversorger, kurz alle möglichen Beteiligten, nur verunsichern. Statt vorhandene Techniken - von der Abgasnutzung über neue CCS-Systeme, das Einfangen und sichere Einlagern von CO2, bis hin zur Wärmepumpe - zu nutzen und weiter zu entwickeln, greife vor allem Dominic Cummings, der engste Berater von Johnson, ständig auf vermeintlich neue Ideen zurück. Der jüngste Vorschlag von Cummings, eine Wasserstoff-Strategie zu entwickeln, sei im Grunde ein alter Hut, und Großbritannien hinke damit nur anderen hinterher. Eine Machbarkeit-Studie für den flächendeckenden Einsatz von Wasserstoff fehlt laut Gross und Rosenow aber immer noch, ganz zu schweigen von Fragen der Wettbewerbsfähigkeit. Auf nicht wirtschaftliche und nicht erprobte Technik zu setzen, sei mehr als gefährlich, so das Fazit der UKERC-Experten.