„New Kid on the Block“ im Großkunden-Gasvertrieb

Bild: Screenshot https://group.met.com

Mit der Schweizer MET Group ist seit November ein neuer Anbieter im Gasvertrieb im Segment großer Industrieunternehmen in Deutschland unterwegs. Marktteilnehmer, mit denen der EID gesprochen hat, zeigten sich über den Schritt eher überrascht.

"In dem Markt ist doch kein Geld zu verdienen“, kommentierte ein Vertriebsmanager den Start der MET Group im deutschen Markt und wies darauf hin, dass die Branche eher von Marktaustritten gekennzeichnet ist. „Ein harter Plan in einem Verdrängungsmarkt“, stieß ein anderer Marktteilnehmer in das gleiche Horn“, meinte aber, MET habe auf Grund seiner starken Handelsaktivitäten und den jetzt handelnden Personen in Deutschland eine Chance. Deshalb im Folgenden: Wer ist die MET Group, was hat sie in Deutschland vor und wie sieht der Markt aus?

MET wurde 2007 von dem ursprünglich einmal staatlichen größten ungarischen Öl- und Gaskonzern MOL als MOL Energy Trade gegründet, um die Gasposition der Ungarn zu managen. Der Sitz wurde später in die Schweiz verlagert. MOL hat sich sukzessive aus der Handelsgesellschaft zurückgezogen. Seit 2018 gehört die Gesellschaft zu 80 Prozent dem Management. Keppel Corporation aus Singapur, ein Konzern mit verschiedenen Geschäftsfeldern auch im Energiebereich, hält als strategischer Investor 20 Prozent. MET Group hat seine Aktivitäten in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt über den Gashandel hinaus erweitert. In vierzehn europäischen Ländern von Spanien bis zur Ukraine hat die Gesellschaft Niederlassungen, neben den Handel mit Gas, anderen Energierohstoffen und Strom sind auch Asset-basierte Geschäfte hinzugenommen worden. MET hat in ein konventionelles Kraftwerk, die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien aber auch in Regasifizierungskapazität im LNG-Import-Terminal in KrK (Kroatien) investiert. Das Terminal, in der ersten Phase ein Schiff, an dessen Bord die Regasifizierung erfolgt, soll Anfang 2021 in Betrieb gehen. In dreizehn europäischen Ländern beliefert MET Endkunden, die für die Gruppe ebenfalls ein Asset darstellen. Trotz aller dieser Erweiterungen sind der Gashandel und komplexe Gasverträge weiter das wichtigste Geschäftsfeld der MET. 2019 wurden insgesamt in Europa 500 TWh Gas gehandelt. Auf Grund der Europäisierung des Geschäftes und der Philosophie, Handel mit Assets und Kundenbeziehungen zu verbinden, ist es grundsätzlich plausibel, dass die MET Group sich auch in Deutschland nach entsprechenden Optionen umgeschaut hat.

Gas-Union-Verkauf bot Chance zum Markteintritt

Die Chance für einen Markteintritt hat sich dann geboten, als die Gesellschafter der Gas-Union das Unternehmen zum Verkauf angeboten haben. MET Group war – gemeinsam mit dem Fernleitungsnetzbetreiber OGE – einer der beiden Unternehmen, die tatsächlich ein Angebot abgegeben haben. Dafür gibt es natürlich keine offizielle Bestätigung – auch nicht von MET –, aber der informelle Informationsfluss ist dicht. Der Ausgang der Geschichte ist bekannt, VNG hat das bessere Angebot gemacht. Aber die MET Group ist anschließend offensichtlich sehr schnell auf Plan B umgestiegen und hat sich der Dienste von Tobias Meyer und Jörg Selbach-Röntgen versichert. Meyer war gut zehn Jahre bei Gas-Union für den Handel und das Portfoliomanagement verantwortlich. Selbach-Röntgen war sogar noch etwas länger als Key-Account Manager für die Frankfurter Vertriebs- und Handelsgesellschaft tätig. Die Beiden bilden die Geschäftsführung von MET Germany, einer Ende Oktober gegründeten deutschen Gesellschaft mit Sitz in Frankfurt (wo sonst). Selbach-Röntgen ist der Sprecher, Meyer für die Finanzen verantwortlich. Nun sollen in Frankfurt zehn bis 15 Personen eingestellt werden, die alle Teile der für das Vertriebsgeschäft notwendigen Prozesskette abdecken. Allein der Handel erfolgt zentral aus der Schweiz. Es entspricht wohl der MET-Philosophie, die einzelnen Landesgesellschaften an der langen Leine zu führen. MET Germany wird mit dem ‚Großkundenvertrieb Industrie‘ Anfang 2021 starten, aber schon im Verlauf des kommenden Jahr sollen auch Stadtwerke sowie kleinere und mittlere Industriekunden akquiriert werden. Neben Gas soll dann auch Strom zum Vertriebsportfolio gehören. Für 2022 ist der Einstieg in den Haushalts- und Gewerbekundenmarkt geplant. Dies erscheint besonders überraschend, weil der Haushaltskundenmarkt nicht nur von beinhartem Wettbewerb geprägt ist, sondern auch von völlig anderen Vertriebsprozessen als die Marktsegmente Industriekunden und Stadtwerke. So ist die Steuerung von Absatzmittlern, die im Haushaltskundenmarkt eine wichtige Funktion haben, wohl eine besondere Kunst, wie Geschäftsführer von Haushaltskunden-Anbietern in dem Segment dem EID immer wieder erzählen.

MET hat Speicherportfolio der Gas-Union gekauft

Aber das deutsche MET-Management kennt den Markt und glaubt an die Sinnhaftigkeit eines breiten Marktzutritts. Ob denn noch mehr Gas-Union-Personal bei MET Germany auftauchen wird, bleibt abzuwarten. Plausibel wäre es, da VNG die Handels- und Vertriebsaktivitäten in Frankfurt abwickelt. Name und Unternehmen Gas-Union werden verschwinden. Die MET Group hat aber noch einen weiteren Schritt getan, um seine Präsenz in Deutschland zu verstärken. Auch dabei spielt Gas-Union eine Rolle. Die Schweizer Gruppe hat das Speicherportfolio der Gas-Union gekauft. Es handelt sich um vier Speicher an drei Standorten (Etzel, Epe, Reckrodt) mit einem Arbeitsgasvolumen von 3,4 TWh. Das ist nicht besonders viel, aber auch dieser Schritt lässt sich als „mutig“ charakterisieren. Der Speichermarkt lag über Jahre am Boden, seit 2019 läuft es für die Betreiber deutlich besser. Auch Gas-Union hat in der Vergangenheit – vor allem 2016 und 2017 – hohe Beträge auf die Speicher abgeschrieben. Es handelt sich um Beteiligungen an Kavernenspeichern, also eher schnellen Speichern, die für die kurzfristige Optimierung geeignet sind. Vor allem solche Speicher werden, darüber besteht unter Marktteilnehmern recht hoher Konsens, bei fortschreitendem Kohle- und Kernkraftausstieg eine größere Rolle spielen, weil flexible Gaskraftwerke zunehmend in der Stromerzeugung eine Rolle spielen werden. Stand heute stellt aber eine erwartete hinreichende Profitabilität durchaus eine Wette auf die zukünftige Entwicklung dar. Der Wetteinsatz der MET soll angeblich gar nicht so klein sein.

Aber noch einmal zurück zum Vertriebsmarkt und der Frage, warum der Markteintritt herausfordernd ist. Die Margen in allen Segmenten sind extrem niedrig, in den vergangenen Jahren haben fast alle internationalen Anbieter kapituliert und sich aus dem deutschen Vertriebsmarkt zurückgezogen. Der jüngste Fall ist Total Energie Gas. Die Gasvertriebsgesellschaft des französischen Energiekonzerns gibt nach zehn Jahren auf. Das heißt, die Gesellschaft ist im Oktober an GETEC Energie in Hannover verkauft worden. Ende 2018 hatte GETEC Energie schon das Vertriebsgeschäft im Industriekundensegment der französischen Engie übernommen. Dazu kommt, so ein Vertriebsmanager, dass vor allem bei Großkunden im Vertrieb wohl schon der „Nasenfaktor“ zählt, vor allem wenn alle Anbieter nahe beieinander liegen. „Die Kunden wechseln nicht gern und schon gar nicht zu einem Anbieter, den sie nicht kennen“, meinte der genannte Manager. Diese Hürde glaubt die MET Group durch das deutsche Management, das über sehr viel Markterfahrung verfügt, überspringen zu können. Gerade Selbach-Röntgen setzt sehr auf die persönlichen Kundenbeziehungen. Und der Exodus der Vergangenheit könnte für MET Germany auch eine Chance darstellen. Vor allem im Großkundensegment ist der Kreis der Anbieter überschaubar geworden. Durchgehend präsent sind Uniper Energy Sales, VNG, Wingas und OMV Gas Marketing & Trading. Die Vertriebsgesellschaft der österreichischen OMV-Gruppe hat gerade einen neuen langfristigen Liefervertrag mit Gazprom Export abgeschlossen. Das Gas wird in Deutschland bereitgestellt und sollte eine Ausweitung der Aktivitäten von OMV hier ermöglichen. Weitere Anbieter, die aber – so Marktteilnehmer – nicht so präsent wie die genannten sind, sind Shell, Bayerngas, zeitweise wohl noch Enovos. Bei kleineren Industriekunden tummeln sich nach wie vor viele Stadtwerke sowie einige Anbieter in Privatbesitz.

Ein neuer Anbieter, der auch noch eine handelsstarke und expansionswillige Mutter im Rücken hat, kann dem deutschen Vertriebsmarkt nur guttun. Allein, eine Erfolgsgarantie hat er nicht.

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Artikel Redaktion EID
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