Debatte um Schutzschirm für Stadtwerke: "Verschleppte Investitionen sind auch Schulden"

enercity-Chefin Susanna Zapreva diskutierte u.a. mit Bundesfinanzminister Christian Lindner. Bild: EID

Die deutsche Energielandschaft werde in der anhaltend turbulenten Marktsituation "weitere Maßnahmen des Krisenmanagements" brauchen, betonte auf der gerade zu Ende gegangenen VKU Verbandstagung 2023 in Berlin Gastgeber Ingbert Liebing, der Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen - sei es bei der Umsetzung der Preisbremsen, beim Preisbremsenreparaturgesetz, "wo wir größeren Unfug verhindern müssen". Oder sei es bei der Erlösabschöpfung, "wo Unwuchten korrigiert werden" müssten - "und die hoffentlich auch Mitte des Jahres beendet wird", wie von Bundeswirtschaftsminister Habeck angekündigt, so Liebing. Angesichts zurückgehender Energiepreise sei "ohnehin nichts abzuschöpfen", es entstehe aber "gewaltiger bürokratischer Aufwand". 

Doch im Kern der kommunalwirtschaftlichen Forderungen steht nach wie vor eine andere Frage, die nach einer "Sicherstellung der finanziellen Handlungsfähigkeit" der Stadtwerke, für die die Branche "um einen Schutzschirm wirbt", wie Liebing betonte. Aktuell gehe es vor allem um "Liquiditätshilfen für die stark gestiegenen Sicherheitshinterlegungen im Terminhandel - mit der Umgestaltung des bestehenden Margining-Programms, das vom börslichen Handel auf den OTC-Bereich ausgedehnt werden müsse, damit staatliche Bürgschaften den Terminhandel unterstützen", so Liebing.

Die Absicherung gegen einen Ausfall, die Vorlieferanten wie Uniper von den Stadtwerken forderten, betonte auch Carsten Liedtke von den Stadtwerken Krefeld per Videobotschaft auf dem Kongress, sei mittlerweile "nur noch durch Barmittel möglich, die der Höhe nach selbst gesunde Stadtwerke überfordern". Die möglichen Folgen seien die Einstellung von Handelsbeziehungen und steigende Preise, die an die Endkunden weitergegeben werden müssten. Für besonders widersinnig hält Liedtke, dass "für die Dauer der Preisbremsen der Bund dafür zahle. Für "noch besser" als ein Margining-Programm auch für den OTC-Handel hielte er zudem "die Gewährung eines KfW-Bürgschaftsrahmens für alle Lieferanten - 16 Einzelländerlösungen helfen uns da nicht weiter", so Liedtke.

Der mit diesen Forderungen angesprochene Bundesfinanzminister und zweite Vizekanzler Christian Lindner (FDP) ließ sich auf die Stadtwerke-Forderungen auf dem Kongress-Podium nicht ein, mit Verweis auf die Sinnhaftigkeit der Schuldenbremse. Der Bundesetat sei durch Krisenstützungen bereits "stark gefordert". Man habe bestimmte Energieunternehmen verstaatlichen müssen, die Energiepreisbremse aufgelegt und "enorme Investition" vorgenommen oder abgesichert. "Und das kann dieser Staat, wir sind jetzt bei 70 Prozent Verschuldung gemessen an der jährlichen Wirtschaftskraft - das ist noch stabil", warnte der Finanzminister. Wollte man aber mit "dieser Form einer expansiven Fiskalpolitik" weitermachen, würde dies selbst den deutschen Staat finanziell ruinieren, so Lindner. "Die Schuldenbremse ist nicht nur ein Gebot der Verfassung, sondern auch der ökonomischen Klugheit."

Und auch in den nächsten Jahren stelle der Staat bereits Investitionsmittel bereit. "Zudem können wir privates Kapital verfügbar machen für transformative Aufgaben. Wir werden ein Transformationsgesetz machen, damit die vielen hunderte Milliarden Euro, die in Deutschland bei den Kapitalsammelstellen liegen, auch tatsächlich für Investitionen etwa in die Netze eingesetzt werden können", so Lindner. "Dies gesagt habend, muss ich allerdings an den Realismus appellieren." Darüber hinaus finanzielle Mittel vom Bund zu erwarten in diesen Größenordnungen - "ich würd's Ihnen geben, aber das Geld ist schlichtweg nicht da", so der Finanzminister.

Zapreva: "Verschleppte Investitionen in einem so wichtigen Bereich, das sind auch Schulden"

Die Schuldenbremsen-Argumentation blieb auf dem Kongress indes von Branchenstimmen nicht unkommentiert. "Herr Minister, wir haben enorme Investitionen in die Infrastruktur zu tätigen und sind aufgrund von Liquiditätsengpässen, die durch die außerordentliche Situation entstanden sind, die wir erleben an den Energiemärkten, daran gehindert", reagierte auf Lindners ablehnende Haltung die Chefin des Kommunalversorgers enercity aus Hannover, Susanna Zapreva. "Es besteht die große Gefahr, dass man Investitionen verschleppt - und ich sage, verschleppte Investitionen in eine so kritische Infrastruktur, einen so wichtigen Bereich, auch das sind Schulden".

Die Branche verlange nicht, dass die Bundesregierung "für alles aufkommt in den Kommunen". Es gehe vielmehr darum, "in einem gewissen Rahmen Bürgschaften bzw. Liquiditätssicherheiten, die jetzt am Markt erforderlich sind", zu gewähren. "Vermutlich nur ein kleiner Prozentteil wird das nutzen, aber das würde den Markt deutlich entspannen", so Zapreva. Wenn die Branche nicht in der Lage sei, "gute und stabile Preise und Verträge" anzubieten, betreffe das in einer "Kettenreaktion" die Industrie und das Gewerbe. Lindner zog sich darauf zurück, in der Frage sei nicht er, sondern das Bundeswirtschaftsministerium zuständig.

Politik & Verbände
Artikel von Dominik Heuel
Artikel von Dominik Heuel