Gratis-Zuteilung erfordert ökologische Gegenleistung

Bild: FotoRabe/Pixabay

Der EU-Emissionshandel (EU-ETS) ist ein etabliertes und weltweit anerkanntes Klimaschutzinstrument. Mit dem „Fit-for-55“-Paket hat die EU ihre Emissionshandels-Richtlinie verschärft. Die bevorstehenden Änderungen für die Industrie erklären Juliane Steegmann und Martin Fleckner.*

Die Einführung des Europäischen Emissionshandels (EU-ETS) 2003 war ein entscheidender Schritt im Kampf gegen Treibhausgasemissionen. Heute erstreckt sich das Emissionshandelssystem auf 30 Staaten, darunter 27 EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegen, Island und Liechtenstein. Der EU-ETS ist kontinuierlich weiterentwickelt und in seiner Ambition gesteigert worden. Er ist mittlerweile ein weltweit anerkanntes und wirksames Regulierungsinstrument für die europäischen Treibhausgasemissionen. 

Im Rahmen des „Fit for 55“-Pakets wurde die Emissionshandels-Richtlinie für die 4. Handelsperiode überarbeitet, insbesondere für den bevorstehenden 2. Zuteilungszeitraum von 2026 bis 2030. Die Novellierung zielt darauf ab, die Zertifikate weiter zu verknappen und das Potenzial des Emissionshandelssystems nochmals zu verstärken. Bis 2030 sollen die Emissionen der betroffenen Sektoren um 62 Prozent gegenüber 2005 sinken.

Die im Juni 2023 in Kraft getretene Novelle enthält wichtige Regelungen zum anstehenden 2. Zuteilungszeitraum. Gegenwärtig werden Delegierte Rechtsakte wie die Europäische Zuteilungs- und Zuteilungsanpassungsverordnung von der EU-Kommission verhandelt. Trotz dieser anstehenden Änderungen bleiben die Regelungen zur kostenlosen Zuteilung im Wesentlichen unverändert.

Änderungen im Anwendungsbereich und bei Fristen

Der Anwendungsbereich des EU-ETS für den stationären Emissionshandel wird nicht grundlegend geändert oder erweitert, denn die bestehenden Regeln haben sich bewährt. Es werden jedoch einige Anpassungen vorgenommen. In Zukunft sind Anlagen erfasst, die keine zu berichtenden Emissionen verursachen, da es nunmehr allein auf das Ausüben einer entsprechenden Tätigkeit ankommt. Zudem erfolgen zur Harmonisierung und Gleichbehandlung der Anlagen und Tätigkeiten im EU-ETS einige Anpassungen bei den bestehenden Tätigkeiten, wie kleinere Änderungen bei den maßgeblichen Schwellenwerten. Es gibt auch Änderungen bei den Regeln für den Ausschluss von Biomasseanlagen, diese nehmen nicht am EU-ETS teil, wenn die Emissionen aus der Verbrennung der Biomasse mehr als 95 Prozent ihrer Emissionen betragen. Neu ist die Aufnahme von Abfallverbrennungsanlagen: Die Betreiber von Anlagen zur Verbrennung von Siedlungsabfällen müssen ihre Emissionen ab 2024 überwachen und berichten, aber noch keine Emissionsberechtigungen abgeben. 

Der Compliance Cycle wird deutlich geändert:  Die jährliche Ausgabe der zugeteilten kostenlosen Emissionsberechtigungen erfolgt nicht mehr am 28. Februar, sondern am 30. Juni eines Jahres. Auch die Frist für die Abgabe der Berechtigungen ändert sich: Damit die dynamische Zuteilungsanpassung bei Produktionsänderungen besser handhabbar ist, wird diese vom 30. April auf den 30. September verschoben.

Reduzierung kostenloser Zuteilung für die Industrie

Die kostenlose Zuteilung für die energie­intensive Industrie wird weiterhin auf Basis von Benchmarks und einer Carbon-Leakage-Differenzierung berechnet. Ebenso bleibt es bei der jährlichen Anpassung an Produktionsänderungen. Dennoch gibt es einige Änderungen, die sich für einzelne Branchen auch deutlich auf die Zuteilung auswirken werden. 
Anlagen, die künftig von anderen Maßnahmen zur Vermeidung des Carbon-Leakage-Risikos umfasst sind (wie dem neuen Grenzausgleichmechanismus – CBAM) sollen keine kostenlose Zuteilung mehr erhalten. Dies erfolgt schrittweise durch einen „CBAM-Kürzungsfaktor“, der 2026 zu einer Kürzung von 2,5 Prozent der ursprünglichen Zuteilungsmenge und sukzessive in unterschiedlichen Intervallen bis 2034 zu einer gänzlichen Abschaffung der kostenlosen Zuteilung führt.

Eine weitere wichtige Neuregelung ist die Verknüpfung der Zuteilung mit ökologischen Gegenleistungen. Betreiber müssen bestimmte Maßnahmen umsetzen, um eine Kürzung ihrer Zuteilung zu vermeiden. Es wird zusätzlich eine Bonus-/Malus-Regelung eingeführt: in Bezug auf den jeweiligen Produkt-Benchmark soll die Zuteilung der 20 Prozent schlechtesten Anlagen um 20 Prozent gekürzt werden, wenn kein Klimaneutralitätsplan erstellt wird bzw. dessen Vorgaben nicht erfüllt werden. Die 10 Prozent besten Anlagen sollen dagegen von der Anwendung eines sektorübergreifenden Kürzungsfaktors befreit werden. Alle Anlagen, die einem Energieaudit oder Energiemanagementsystem unterliegen, sind grundsätzlich zur Umsetzung der identifizierten Maßnahmen verpflichtet.
Für den 2. Zuteilungszeitraum wird die maximale jährliche Reduktionsrate der Benchmarks von aktuell 1,6 auf 2,5 Prozent angehoben. Die minimale Reduktionsrate wird von bisher 0,2 auf 0,3 Prozent erhöht. Zudem sind teilweise methodische Überprüfungen der aktuellen Definitionen und Systemgrenzen der Benchmarks vorgesehen. In dieser Überprüfung sollen sowohl Anlagen, die Emissionen teilweise oder vollständig reduzieren, als auch Prozesse zur Kreislaufführung von Materialien berücksichtigt werden.
Schließlich wird die Sonderstellung der sogenannten Stromerzeuger im Rahmen der kostenlosen Zuteilung beendet. Im 2. Zuteilungszeitraum werden alle Anlagen im Hinblick auf Wärmemengen und die Anwendung der Kürzungsfaktoren gleichbehandelt und erhalten die Zuteilung nach gleichen Regeln.

Status der Zuteilungs- und Zuteilungsanpassungsverordnung

Die geschilderten Änderungen, die in der Emissionshandels-Richtlinie festgelegt sind, werden durch nachgelagerte Verordnungen konkretisiert. Insbesondere die EU-Zuteilungsverordnung ist derzeit in der Abstimmung in den europäischen Expertengruppen. Anders als ursprünglich geplant wurde die öffentliche Konsultation noch nicht gestartet. Mit einem Inkrafttreten der Verordnung ist daher in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen. Die Überarbeitung der EU-Zuteilungsanpassung startet erst im Jahr 2024.

Nachjustierungen erfolgen dort, wo es erforderlich ist

Der klassische und bewährte Regelungsbereich im EU-ETS wird novelliert und einer behutsamen Anpassung unterworfen, die die eingespielten und gut funktionierenden Bereiche nicht wesentlich verändert. Nachjustierungen werden dort vorgenommen, wo es erforderlich ist. Mit den ökologischen Gegenleistungen bei der Zuteilung wird ein wichtiger Baustein eingefügt. Von Beginn an war die kostenlose Zuteilung nur als Übergang gedacht, nunmehr ist die Festlegung erfolgt, dass die kostenlose Zuteilung für nicht vom Carbon-Leakage betroffene Sektoren im Jahr 2030 und für vom CBAM betroffene Sektoren 2034 endet. 

*Juliane Steegmann und Martin Fleckner sind Mitarbeitende der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt. Steegmann ist Abteilungsleiterin V 2 Industrieanlagen, Klimaschutzprojekte, Kundenservice und Rechtsangelegenheiten, Fleckner Fachgebietsleiter V 2.4 Rechtsangelegenheiten und Justitiariat Emissionshandel.

Weitere Informationen: www.dehst.de

Artikel Redaktion EID
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