Erster Offshorewindpark liefert Sekundärregelenergie ins Stromnetz von TenneT

Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 1. Bild: Orsted

Mit Borkum Riffgrund 1 von Ørsted wurde der erste Offshorewindpark in Deutschland erfolgreich für Sekundärregelreserve und Minutenreserve präqualifiziert. Für die Sekundärregelreserve ist es der erste Windpark überhaupt. Ein wichtiger Meilenstein bei der Umsetzung der Energiewende, für den der Übertragungsnetzbetreiber TenneT in Zusammenarbeit mit dem Anbieter energy2market die Präqualifikation vorgegeben hatte. Die Partner gehen damit gemeinsam als Pioniere voran und ebenen den Weg, auch andere Marktteilnehmer zu motivieren, diesen Schritt zu gehen, damit zukünftig immer mehr Regelreserve aus Windkraftanlagen erfolgreich am deutschen Regelreservemarkt angeboten werden kann.

Der Nordseewindpark Borkum Riffgrund 1 beweist, dass Windkraftanlagen sowohl an Land als auch auf See zur Stabilisierung der Frequenz beitragen können. Angeschlossen an die Offshore-Konverterstation DolWin alpha von TenneT, umfasst der Windpark 78 einzelne Windkraftanlagen zu je 4 Megawatt (MW) Leistung und hat eine Gesamtnennleistung von 312 MW. In einem ersten Schritt wurde der Windpark zunächst für rund 29 MW negative Sekundärregelreserve und Minutenreserve prä­qualifiziert. Nach dem erfolgreichem Vermarktungsstart will der Anbieter diese Leistung nun kontinuierlich erhöhen. Das Potential dieser Entwicklung wird bei einem kleinen Faktencheck umso deutlicher: Was versteht man unter Regelreserve?

Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) müssen zu jedem Zeitpunkt sicherstellen, dass es zu keinen Leistungsungleichgewichten im Netzgebiet kommt. Stark vereinfacht bedeutet das: zu jedem Zeitpunkt muss genau so viel elektrische Leistung erzeugt werden, wie durch Verbraucher abgenommen wird. Kommt es dennoch zu einem Ungleichgewicht, setzt der ÜNB, teils vollautomatisch, die sogenannte Regelreserve ein. Diese wird durch spezielle Kraftwerke, aber auch durch Verbraucher, vorgehalten – die im Anschluss für die Bereitstellung dieser Reserve separat vergütet werden. Um an diesem Prozess teilnehmen zu dürfen, muss jede Energieanlage zuvor eine technische und vertragliche Überprüfung durchlaufen, welche als Präqualifikation bezeichnet wird. Dadurch stellt der ÜNB sicher, dass nur Anlagen zur Regelreserve zugelassen werden, die den erforderlichen Qualitätsstandard erfüllen und die Versorgungssicherheit mit Strom dauerhaft gewährleisten können. Im Wesentlichen gibt es drei verschiedene Arten von Regelreserve, welche unterschiedlichen Zielen dienen und daher auch von verschiedenen Energieanlagen zur Verfügung gestellt werden können. Diese unterscheiden sich insbesondere in der Aktvierungszeit.

Über die Konverterstation DolWin Alpha wird der Strom von Borkum Riffgrund 1 über ein rund 165 km langes HGÜ-Kabel an Land gebracht. Bild: TenneT

Was ist hinsichtlich der Regelreserve so besonders an Windparks?

Bisher stellen hauptsächlich Anlagen mit einem sehr gut planbaren Erzeugungsverlauf, Fahrplan genannt, Regelreserve bereit. Dies sind in erster Linie Wasser- und Pumpspeicherkraftwerke aber auch thermische Kraftwerksblöcke wie Gas-, Kern- oder Kohlekraftwerke. Durch die Energiewende in Deutschland und vor allem aufgrund des Kernkraft- und Kohleausstiegs fallen mehr und mehr dieser konventionellen Kraftwerke, die bislang neben der reinen Energieerzeugung auch Regelreserve bereitgestellt haben, weg. Um möglichen Versorgungsengpässen in der Regelreservebereitstellung zuvorzukommen, haben sich die vier deutschen ÜNB in den letzten Monaten intensiv darum bemüht, auch nachhaltige Technologien wie Wind und Photovoltaik hierfür zu präqualifizieren. Gleichzeitig kam mit dem Anbieter energy2market GmbH (e2m) aus Leipzig ein etablierter Partner für Regelreserve der bislang hauptsächlich in der Vermarktung von Biogasanlagen aktiv ist, auf TenneT zu. Das erste gemeinsame Projekt, die Präqualifikation des Windparks Borkum Riffgrund 1, war sowohl für den Anbieter als auch für TenneT etwas gänzlich Neues. Daher musste zunächst technisch nachgewiesen werden, dass die Windkraftanlagen die hohen technischen sowie die IT-Sicherheitsanforderungen für die Sekundärreserve erfüllen können. In Kooperation zwischen dem Anbieter und TenneT wurden hierzu zahlreiche Analysen, Tests und Absprachen durchgeführt. Da in Deutschland vier ÜNB gemeinsam Regelreserve beschaffen, galt es, auch die drei anderen ÜNB mit „ins Boot“ zu holen. Dies gelang erfolgreich mit der erstmaligen Präqualifikation von Windkraftanlagen für die Sekundärregelreserve, die damit von Beginn an bundesweit einheitliche Standards setzt.

Neben Speicherkapazitäten sind zur Bestimmung der möglichen Einspeiseleistung auch exakte Windprognosen für die Lieferung von Sekundärregelleistung erforderlich. Bild: Pixabay

Weshalb gab es bislang kaum eine Präqualifikation von Windkraftanlagen?

Kurz gesagt: ob Wind weht oder nicht, kann nicht beeinflusst werden. Der Wind folgt also keinem „Fahrplan“, was dazu führt, dass die Leistung eines Windparks innerhalb von Minuten um viele Megawatt schwanken kann. Für die Bereitstellung der Regelreserve ist jedoch neben dem Zeitfaktor auch die Stabilität der erbrachten Leistung ausschlaggebend. Eine Herausforderung, für die gemeinsam mit e2m eine Lösung gefunden werden konnte. Diese passen als Anbieter den sogenannten Arbeitspunkt sekündlich an, auf dessen Basis die erbrachte Regelreserve bestimmt wird. Auf der Basis von Windstärke und -richtung sowie einigen weiteren Daten kann eine sogenannte mögliche Einspeiseleistung ermittelt werden. Diese Leistung kann auch dann bestimmt werden, wenn der Windpark ganz oder teilweise abgeregelt ist. Somit existiert immer ein Referenzwert zur Bestimmung der gelieferten Regelreserve – und das in einer zeitlichen Auflösung im Sekundenbereich. Für die Leistungsfrequenzregler in der TenneT-Leitwarte stellt der Windpark sich auf diese Weise – rein technisch gesehen – wie ein konventionelles Kraftwerk dar.

Neben der aktuellen Bestimmung der möglichen Einspeiseleistung muss e2m auf Basis von Wettervorhersagen genau planen, wieviel Leistung für den nächsten Tag vermarktet werden soll und bietet beispielsweise – um eine sichere Bereitstellung immer zu gewährleisten – bei ungenauen Wetterprognosen etwas weniger Leistung an.

Wie sehen die nächsten Schritte aus?

Energy2market strebt durch Investitionen in die IT-Sicherheit an, die vermarktbare Leistung sukzessive zu erhöhen und weitere Windparks in sein Portfolio aufnehmen zu können. Die Pionier-Partner sehen darin die große Chance für weitere Anbieter, zukünftig wesentlich mehr Regelreserve aus Windkraftanlagen erfolgreich am deutschen Regelreservemarkt zu vermarkten.

Artikel von Tim Riedel und Arndt Neubauer, TenneT
Artikel von Tim Riedel und Arndt Neubauer, TenneT