Baltic Sea Conference - Den Ostseeraum bei Offshore-Windenergie gemeinsam denken

Bild: Stream Baltic Sea Conference

Nach Jahren der Stagnation soll der Ausbau der Offshore-Windenergie wieder eine steile Aufwärtskurve bekommen. 300 Gigawatt (GW) bis 2050 lautet die europäische Zielmarke. „Wir haben in der Ostsee derzeit aber nur 2,8 GW installierte Kapazität, bis 2030 sollen hier 19,6 GW installiert sein, ein Strombedarf von 20 Millionen Haushalten. Aber es bleibt noch viel ungenutztes Potenzial bei Offshore-Wind“, sagte Jennifer Morgan, Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt, auf der gemeinsam von 50Hertz, der dänischen Botschaft in Berlin, dem Land Mecklenburg-Vorpommern und dem Weltenergierat Deutschland ausgerichteten „Baltic Sea Conference“. Um dieses Potenzial zu heben, brauche es eine gute Zusammenarbeit über die nationalen Grenzen hinweg.

Morgan verwies auf die Studie der International Renewable Energy Agency (IRENA), die für 2030 von einer globalen Offshore-Marke von 360 GW und für 2050 von 2.000 GW ausgeht. 2020, so die Staatssekretärin, seien mehr als 99 Prozent der erzeugten Windenergie auf See in den G20-Staaten produziert worden, davon 41 Prozent in China, 25 Prozent in Großbritannien und 27 Prozent in der EU. Daran wiederum habe Deutschland zu 60 Prozent beigetragen. Mehr sei allemal möglich, müsse aber über Partnerschaften mit anderen europäischen Ländern geschehen. Und um diesen Hochlauf zu beschleunigen, brauche es vor allem Unternehmen, die bereit seien, in Innovation und Transformation zu investieren.

Vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns ist derzeit eine Leistung von 1,1 GW installiert. Der dortige Wirtschaftsminister Reinhard Meyer sieht in den Ausbauzielen eine gute Chance für die heimische Industrie. „Unsere große Zukunft sind die erneuerbaren Energien, denn viele Industrieansiedlungen gelingen dort am besten, wo günstige Produktionsbedingungen existieren.“ Aber das sei kein Selbstläufer, hier sei zu flankieren mit einer guten Industriepolitik. Hohe Bedarfe gebe es einerseits an Monopiles, Konverterplattformen, Errichterschiffen, andererseits aber noch kein klares Konzept, wie das zu finanzieren sei. „Finanzierungsmodelle gibt es noch nicht, um hier europaweit konkurrenzfähig zu sein.“ Ein weiteres Manko liege in der mangelnden Verfügbarkeit von Fachkräften.

„Wind-Offshore wollen wir zu einer großen Industrie machen“, erklärte Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Patrick Graichen. „Da gibt es kein Halten mehr.“ Die Frage sei nur, wie man diese Botschaft auch in die Industrie transportiere und die industrielle Wertschöpfung mit dem geplanten Tempo hochgefahren werden könne. „Das scheint fast das größte Hindernis zu sein, vor dem wir stehen.“

Der Ausbau sei alternativlos und werde jetzt weltweit großes Tempo aufnehmen. Aber die wesentliche Frage sei, ob dazu die Windräder aus China kommen würden. In der Offshore-Technologie wolle Deutschland ganz vorne mit dabei sein. „Es geht im Kern nun um Industriepolitik und um das Hochfahren der dafür notwendigen Entscheidungen und Kapazitäten.“

Nicht noch einmal solle es dazu kommen, hier entwickelte Technologien wie die Photovoltaik nach Fernost zu verlieren. „Wir müssen die Windenergie hier halten, denn wenn die Industrie abwandert, geht auch das Wissen mit“, ist Anders Soe-Jensen, CEO der Offshore-Wind-Foundation Bladt Industries, überzeugt und hofft darauf, dass der Preisdruck in seiner Branche sinken möge. „Die derzeitige Situation ist alles andere als eine sichere Basis für ein Geschäftsmodell.“

Schließlich, pflichtet Patrick Graichen bei, wäre nichts gewonnen, wenn man heute mit mächtiger Kraftanstrengung sich bemühe, aus der Abhängigkeit fossiler russischer Energien herauszukommen, um dann bei den Anlagen zur Stromproduktion bei Erneuerbaren wieder andernorts in neue Abhängigkeiten zu fallen.

Nach Einschätzung von Holger Lösch, dem stellvertretenden Geschäftsführer des BDI, ist ein Kernpunkt der momentanen Situation, die durch den Nachfragehype nach Produkten für die Windenergie geschaffene Mangelsituation etwa bei Kupfer zu kompensieren. „Diese Knappheiten beißen sich mit den Zielen“, so Lösch, und sie führten zu steigenden Preisen.

Preistreiber sind auch nach Meinung von Graichen die Rohstoffkosten. Hier wolle sein Ministerium eine Rohstoffstrategie auf die Beine stellen - etwas, das es bisher noch nicht gegeben habe. „Da tasten wir uns ran und müssen das auch mit einem geopolitischen Blick verbinden.“

Für Stefan Kapferer, Vorsitzender der Geschäftsführung des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz, steht fest, dass Offshore-Windprojekte international gedacht werden müssen. Das Potenzial in der Ostsee sei riesig, etwa in Dänemark, Schweden, den baltischen Länder als Stromanbieter. Und Deutschland und Polen seien gerne Abnehmer. „Daraus muss ein gemeinsames Projekt gemacht werden.“ Mit Energy Island Bornholm sei bereits ein wichtiger Schritt zum Offshore Hub und Drehkreuz für umliegende Windparks von Dänemark und Deutschland gelegt worden. „Nächster Schritt wäre, dies nicht nur als bilaterales Projekt zu denken, sondern auch mit Abzweigungen in Richtung anderer Länder. Im Grunde müssen wir das Offshore-Netz so denken wie das Stromnetz an Land“, ist Kapferer überzeugt.

Artikel von Klaus Lockschen
Artikel von Klaus Lockschen