Hamburg nimmt Kurs auf wettbewerbsfähige grüne H2-Wirtschaft

Bild: Vattenfall

Wasserstoff wird in der Nationalen Wasserstoff-Strategie der Bundesregierung als europäisches Gemeinschaftsprojekt begriffen, „und das muss es auch sein“, erklärte Katja Mau von Gasnetz Hamburg auf der Hamburger Fachkonferenz “Zukunftspotentiale von Wasserstoff in Hamburgs Industrieclustern”.

Eine Umfrage unter Hamburger Unternehmen ergab für 2030 einen Bedarf von sechs TWh pro Jahr, das entspreche einer Elektrolyse-Leistung von einem GW. „Das ist für Hamburg nicht umsetzbar“, so Katja Mau, „deshalb sollten Import-Terminals sofort mitgeplant werden.“ Die Konferenz wurde organisiert durch die Logistik Initiative Hamburg, Maritimes Cluster Norddeutschland, Erneuerbare Energien Hamburg, Hamburg Aviation und Hamburg Cruise Net. Unmittelbarer Anlass war die öffentliche Rückendeckung durch die Festlegung vom vergangenen Februar, dass die Stadt Hamburg das bestehende Erneuerbare Energien Cluster um eine neue Wasserstoff-Clusterstruktur erweitern wird.

Den Planungsstand am Kraftwerk Moorburg und die dahinterstehende Geschäftsstrategie verdeutlichte Oliver Weinmann, Geschäftsführer bei Vattenfall Europe Innovation und zugleich Präsident des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands (DWV). Das bisherige 1.600 MW-Steinkohle-Heizkraftkraftwerk Moorburg wird zum 7. Juli 2021 stillgelegt und kann zurückgebaut werden. Allerdings ist es in baulich weitgehend neuem Zustand und könne deshalb auf die grüne Wasserstoffproduktion umgewidmet werden. Im „Green Hydrogen Hub Hamburg“ arbeitet Vattenfall mit Shell, Mitsubishi Heavy Industries und Wärme Hamburg zusammen. Anfangs soll eine Elektrolyseur-Kapazität von 100 MW entstehen, die aber später stark skalierbar sein soll. Der Standort habe wesentliche Vorteile: den bestehenden Hochspannungsanschluss 380 kV 50 Hz, die Nähe zu Offshore-Windparks, den Hamburger Hafen mit Bahnanschluss, den Wirtschafts- und Forschungsstandort und Pipelines. 

Im Rahmen des Programms „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI) wurde für das Moorburg-Projekt ein Förderantrag gestellt, berichtete Weinmann. Mitte Mai sollte feststehen, ob der Antrag auf die Shortlist kommt und am Ende angenommen werden kann. Geplant ist die Produktionsaufnahme für 2025 mit zunächst durchschnittlich 30 Tonnen H2 pro Tag.

In den kommenden zehn Jahren sieht Weinmann einen auf 2 Euro/l sinkenden Preis für Grünen Wasserstoff. Sein Unternehmen investiere nicht in ein „Subventionsgrab“, sondern in zukunftsträchtige erneuerbare Energieprojekte. Auch bei Vattenfalls erstem Offshore-Projekt Alpha Ventus (mit EWE und RWE) in der Nordsee vor elf Jahren seien staatliche Finanzbeihilfen nötig gewesen. Das neueste Offshore-Projekt an der niederländischen Küste Hollandse Kust Zuid 1 bis 4 mit 1,5 GW Leistung ist schon ohne Subventionen marktfähig. Ähnlich könne sich auch der Wasserstoff entwickeln.

Als „frühe Business Cases“ identifizierte Weinmann Verkehr, Stahl und Raffinerien. Hochöfen haben eine Lebensdauer von 30 bis 40 Jahren, 53 Prozent von ihnen sind bis 2030 erneuerungsbedürftig. Wärmegewinnung aus H2 peilt Vattenfall erst für eine spätere Etappe an, weil dort mit Erdgas ein marktfähiges Konkurrenzprodukt vorhanden ist.

Auch Katja Mau von Gasnetz Hamburg setzt bei der energieintensiven Industrie als Abnehmer für Wasserstoff an. Bei einem Gesamtaustausch von Erdgas durch Wasserstoff geht Gasnetz Hamburg nach Rücksprache mit 14 Größtkunden, die sich anschließen können, von einer Abdeckung von einem Drittel des derzeitigen Erdgasbedarfs in der Stadt durch Wasserstoff aus. Eine gute Skalierung werde zudem erreicht, wenn man den Wärmemarkt dazu nimmt. Die Verkehrsmodi seien sowieso im Visier: „Wir sind über jeden Abnehmer froh.“ 

Elena Hof von der Now GmbH plädierte für grauen Wasserstoff als Übergang – erst wenn die Abnehmerschaft sich genügend verbreitert, sei grüner Wasserstoff zu konkurrenzfähigen stabilen Preisen herstellbar. Abnehmer müssten sicher sein, dass Wasserstoff zu jeder Zeit in genügender Menge lieferbar sei. Dabei verwies Jörg Spitzner von Blanc Air auf die Notwendigkeit unabhängiger Zertifizierung: „Wasserstoff aus russischen Atomkraftwerken bringt uns nichts.“ Die einsparbaren CO2-Equivalente müssten genau berechnet werden.

Interessante Business Cases mit Wasserstoff im Fokus stellten der Geschäftsführer von Clean Logistics Dirk Graszt, Matthias Wiese von Siemens Energy Marine und Jan Eike Hardegen vom Flughafen Hamburg vor. Der Flughafen strebt für 2021 das Level 3+ der 4-stufigen CO2-Neutralitätsleiter an. In den kommenden Jahren werden 59 CNG-Gepäckschlepper gegen solche mit Wasserstoffantrieb ausgetauscht. Sinnvoll sei Wasserstoff als Basis für synthetisches Kerosin. Clean Logistics aus Winsen arbeitet an der Umrüstung bestehender 40t-Sattelschlepper auf Wasserstoffantrieb, Siemens an 4000 PS-Brennstoffzellen für Kreuzschiffe. Elena Hof von der Now GmbH plädierte dafür, rechtzeitig Personal zu qualifizieren, denn für die neue Technologie seien neue Spezialkenntnisse nötig.

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Artikel von Hermann Schmidtendorf
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