Energieumbau: IEA-Chef sieht durch Corona "historische Gelegenheit"

Fatih Birol, Chef der Internationalen Energie-Agentur (IEA). Bild: IEA

„Wir lernen aus der Geschichte, dass wir überhaupt nichts lernen“ - dass diese Mahnung des Philosophen Hegel zumindest nach Überwindung der Corona-Pandemie nicht zum Tragen kommen möge, darauf hofft Fatih Birol, Chef der Internationalen Energie-Agentur (IEA). Das Corona-Virus habe „einen historischen Schock auf alle Akteure innerhalb der Energiewelt“ ausgelöst, kommentierte Birol auf einem von der deutschen Energieagentur (dena) initiierten Internet-Colloquium zur Zukunft von Energiewende und Klimaschutz unter dem Motto "Durch die Krise: mit einem ganzheitlichen Blick und den richtigen Zielen".

"Schon jetzt sehen wir, dass die CO2-Emissionen 2020 mächtig rückläufig sind", so Birol. Dies sei allerdings "kein Grund, darüber glücklich" zu sein, denn dieser Rückgang sei kein Ergebnis einer gezielten Politik, die Weltwirtschaft sei vielmehr momentan traumatisiert. Was sich im kommenden Jahr an Emissionen ergeben wird, steht laut Birol noch in den Sternen. Vergleiche man mit der Finanzkrise, so lagen 2009 die weltweiten Emissionen um 0,4 Gigatonnen niedriger als ein Jahr zuvor. Mit dem erneuten Hochlauf der Wirtschaft im Folgejahr 2010 schossen sie jedoch um 1,7 Gigatonnen wieder in die Höhe, viermal mehr als der Rückgang.“ Die Gefahr dieser Dynamik sei auch für die Jahre 2021 und 2022 gegeben. Deshalb sei es von herausragender Bedeutung, nachhaltige Konjunkturpakete so aufzusetzen, dass darin ein Fokus auf „die beiden Säulen Energieeffizienz und Erneuerbare Energien“ gelegt werde.

In der gerade veröffentlichten IEA-Analyse wird sogar davon ausgegangen, dass die CO2-Emissionen in diesem Jahr weltweit um 2,6 Gigatonnen, respektive 8 Prozent der gesamten CO2-Emissionen, sinken werden. Das wäre die höchste jemals erzielte Absenkung binnen Jahresfrist, sechs Mal größer als in der Finanzkrise 2009.

Der IEA-Chef hält die derzeitige Situation „für eine historische Gelegenheit“, wesentliche Anreize im Energiesektor zu setzen. Billionen Dollar würden von Staaten wie Kanada, USA, China, Indien und europäischen Ländern nun in Konjunkturpakete gebracht, „enorm folgenreich für die nächsten Jahre“. Nicht nur der Höhe der Investitionen wegen, sondern auch deshalb, weil rund 70 Prozent aller Investitionen, die in die Energiewelt flössen, entweder direkt von den Regierungen kämen oder indirekt über deren Regierungspolitik angestoßen würden.

„Wir müssen auch die Finanzminister überzeugen“, so Birol. Damit, dass mit den richtigen Maßnahmen auch wieder Arbeitsplätze geschaffen würden, „denn nach der Krise werden wir gegen mehr Arbeitslosigkeit ankämpfen müssen“. Und neben einer zukünftig stärkeren Flexibilität im Energiesystem bedürfe es der Beschleunigung in der Energiewende.

Bei den Konjunkturpaketen setzt Birol in Sachen Technologien für Europa auf Lithium-Ionen-Batterien und auf Elektrolyseure für Wasserstoff. „Ich glaube, dass deren große Zeit hier in Europa gekommen ist und die europäische Industrie in eine führende Position bringen wird, um damit den globalen Energiemarkt zu beliefern.“ Offshorewind und Wasserstoff könne hier eine sehr gute Kombination sein.

Lernen von der Wirtschaftskrise 2008/09, ja, aber Birol sieht auch einen deutlichen Unterschied: In den mehr als zehn Jahren sei eines substanziell anders geworden. Mit Wucht müssten heute dringlichere Maßnahmen erfolgen, sich dem Problem des Klimawandels zu stellen.

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Artikel Redaktion EID
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